1. Herr hwmueller, was
genau verbirgt sich bei Ihrem Festival hinter dem Wort "gescheitert"?
In welcher Form sind die Filme Ihres Programms gescheiterte Filme?
Die netteste Antwort auf diese Frage hatte einmal eine Besucherin, die meinte „gescheiterte Film“ sind halt „gescheiter“. Nein, im Ernst: scheitern ist nicht spaßig. Aber im Grunde hat die Besucherin Recht. Denn „wer nicht wagt, nicht gewinnt“. Und wenn der Preis nach einer langen Produktionszeit, gefüllt mit Schmerz, Freud und intensiver Lebenszeit auch nur die Erkenntnis ist, wie „es nicht geht“, so finde ich das schon eine Menge. Es gibt inzwischen in Deutschland so viele kreative, hochbegabte RegisserInnen, denen die Kanäle des „freien Marktes“ verschlossen bleiben, die aber durchaus in ihren Ansätzen innovativ sind. Wollen wir doch mal ehrlich sein. Jene Künstler die den mainstream voraus sind, waren schon immer Beute gut gepflegter Missachtung. Ich habe in den letzten Jahre viele Leute aus der Kultur- und Filmbranche kennengelernt. Ich nehme da eine gewisse „Überfütterung“ wahr.
Das ist ja auch nicht verwunderlich, wenn man
jedes Jahr vor einem Tsunami neuer und edelster Filme steht und nicht weiss,
soll man sich ducken und daheim bleiben oder stehenbleiben und sich die Augen
mit heroischem Pathos verkneifen. In der Kunst gibt nichts Gutes und nichts
Böses. Daher ist das Sortiment der sogenannten „Erfolgreichen“ in der Regel
nichts anderes als ein verzweifelter Versuch „Wahrheiten“ zu behaupten, damit
die eine oder andere Strömung Richtung Fördertrog gelenkt wird. Ja, die
Filmförderung ist ein janusköpfiger Irrer in der grauen Liebesnacht
medienscheuer Schmetterlinge. An meiner
Art sich auszudrücken merkt man schon, das Scheitern durchaus
klangvoll und anstrengend sein kann. Aber Scheitern, oder ein anderes Bild,
wenn mans wörtlich nimmt: Zu(m)Grunde gehen, ist eine existenzielle
Seinserfahrung, welche zornige Götter gebiert. Fassbinder habe ich da vor
Augen. Menschen die bereit sind für ihre Visionen(Wahn) zu leiden, haben mich
schon immer sehr fasziniert. Um es mal platt zu sagen: Erfolg ist der Endpunkt,
der Stillstand, an dem wir stehen mit unserem der vergoldeten Rollator in der
Abendsonne und dem untergehenden Gestirn unserer jungendichen Neugier
nachtrauen. Daher an Alle: traut euch. Habt Mut zu Filmen, die uns im
schlimnsten Falle den Magen verderben.
2. Können Sie uns
einen kleinen Einblick in das diesjährige Programm des Festivals geben: Was
erwartet uns?
Alle Filme: http://www.inter-acts.com/FdgF/anfrage_titel_staffel_8.php
Neu in diesem Jahr
ist, dass wir eine Werkschau mit 3 Filmemachern (Philipp Hartmann, Bernd Kilian
und Hubert Sielecki) veranstalten, die in den letzten durch Witz, Innovation
und vor allem Ausdauer aufgefallen sind. Inzwischen ist das Bedürfnis gereift,
einmal zu schauen, wer alles Potential hat. Dazu gehören Regisseure deren Filme
und deren Arbeit schlicht übersehen werden.
Es sind Filmemacher, denen selbst die Plattform einer „Marketingabteilung“
fehlt und die lieber ihr Geld in Filme statt in einer überdimensionierte
Werbung stecken.
Wenn dies beim
Publikum ankommt, den dies ist kein Expertenfestival, werden wir die Reihe
fortführen. Es ist nämlich, ähnlich wie in der Bildenden Kunst, ungemein
spannend den Künstler über einen längeren Schaffensprozess zu beobachten und
das Werden und Vergehen von künstlerischen Welten miterleben zu können.
3. Werden Filmemacher
vor Ort sein und sich im Gespräch den Fragen des Publikums stellen? Welche
Filmemacher werden das sein, gibt es da Beispiele, die sie als besonders
spannend herausstellen würden?
Wer vor Ort sein wird, stellt sich in der Regel immer
erst kurzfristig heraus. Schliesslich haben wir es hier mit Aktiven zu tun, die
lieber am Set als auf dem Podium sitzen.
4. Wenn Filme nicht veröffentlicht
werden, dann vermutlich, weil sie schlecht sind. Warum sollten wir sie uns dann überhaupt ansehen?
In München wurden Bilder der klassischen Moderne
gefunden, von dem Niemand wusste, dass diese überhaupt existieren. Solche
Fragen stellt nur ein Journalist, der immer noch glaubt: Öffentlichkeit muss
wahr sein.
So what, unser Festival zu besuchen birgt
tatsächlich ein echtes Risiko. Es gibt Filme, die sind so sperrig, das es
nichts gibt, mit dem man es „transportieren“ könnte. Aber die Erfahrung hat
gezeigt, das unser Publikum durchaus bereit ist, einmal was „auszuhalten“ und
nicht gleich weiter in den nächtsen Irrtum zu zäppen. Aushalten ist ein
Fremdwort geworden. Darin steckt aber Halten, Innehalten, Anhalten. Und
unterhalten. Diesbezüglich ist unser Anspruch leider ein wenig höher gelegt.
5. Sind "gescheiterte" Filme
vielleicht sogar spannender als die "erfolgreichen", die wir täglich
sehen können?
Nicht spannender, nicht grösser, nicht kleiner,
nicht dicker, nicht nasser, nicht schöner, nicht besser, aber auch nicht
schlechter. Sie sind einfach anders. So Anders, dass die „Filmpolizei“ keine
Zeit findet, mal anzuhalten, weil sie gerade mit Blaulicht zum nächstem
kollektiven Schulterklopfen mit Sektgetösse rasen. Tschuldigung, aber wer sich
gekränkt und in seinem wirtschaftlichen Pathos bedrängt fühlt, der weiss schon
warum!
6. Wenn jemand scheitert, egal in welcher
Lebenslage, dann ist einem das hierzulande zumeist sehr unangenehm. Das
Scheitern wird häufig Verschwiegen. Sollten wir stattdessen nicht besser
selbstbewusster damit umgehen? Und welche Vorteile hätte das?
Das Scheitern für Viele negativ ist, halte ich
für jene Mär, die sich Leute ausdenken, die erfolgreich sind und so versuchen
nachträglich nocheinmal die Vorzüge ihrer gottgegebenen Gene herauszustellen.
Nehmen Sie einmal Ihren Mut und eine SchöneWeltZeitung in die Hand und
überlegen Sie einmal: Wollen Sie so leben. Als profilneurothischer Promi oder
als angstbesetzter Reicher! Nein Scheitern ist ein Programm, dass die Biologie
vorantreibt. Gäbe es kein Scheitern bei der Reproduktion der Erbinformation,
gäbe es kein (Ver)suchen nach neuen
Information, sprich Forschritt. Ich sehe mir die Werkschauen auf unserem
Festival an denke: JA, es gibt einen Fortschritt. Oft - und das ist für Jeden
der glaubt sich „auszukennen“ schmerzhaft, anders als man denkt. Jede
Generation scheitern anders. Aber darin sind alle ungemein erfolgreich.
7. Von welchen großen Gescheiterten (egal aus
welchem Bereich) können wir lernen? An wem sollten wir uns ein Vorbild nehmen?
Ich halte nichts von Vorbildern. Da gibt es
erfolgreiche Schauspieler, die offen für die Todesstrafe einstehen. In einer
Welt von kaputten Götter-Götzen-Bilder sollte man sich hütten „Scherben auszusammeln“.
Mein Vorbild sinf die Nachkommen. Denn diese sind bereit Alles nochmal falsch
zu machen. Und lässt sich mit einem banalen Satz sagen: das ewige Suchen nach
intensiven Leben!
Mein Name ist hwmueller, so und
nicht anders. Gff. das Interview nicht veröffentlichen!
Ich habe Familie, die ich gerne vor
dem Bewerfen mit Dreck schützen möchte.
Und mein Alter spielt bei mir keine
Rolle, dann sollte es auch keine für Andere spielen.