Gescheit
gescheitert, humorvoll schräg und absolut abseits - Das „Festival des gescheiterten
Films“ zu Gast im Münchner Maxim
Scheitern
ist aller Dinge Anfang. Nur manchmal scheitert man am Ende. Am Ende seines
Lebens: Eine Frau, einsam und ohne Freude am Leben, beschließt, sich umbringen.
Der Fachfrau des Scheitern gelingt ihr Meisterstück: Sie scheitert erneut und
haarscharf am Tod vorbei. Es mag ihr nicht gelingen, sich umzubringen, weil es
plötzlich an der Türe klingelt. Zazou Rövers Botschaft ihres siebenminütigen
Kurzfilms „Mia“, jüngst gezeigt auf dem „Festival des gescheiterten Films“,
lautet kurz und bündig: „Leben ist am Sterben scheitern.“
Auch
Filme sind manchmal Grenzgänger und bewegen sich auf dem schmalen Grad zwischen
Erfolg und Scheitern.
Aber
manche Filme sind bereits gescheitert noch bevor sie überhaupt das Licht der
Öffentlichkeit gesehen haben. Die Chance, entweder ein Flop beim Publikum zu
werden oder Filmgeschichte zu schreiben, bleibt ihnen quasi von Beginn an
versagt. Wo bleibt denn da die ausgleichende Gerechtigkeit, so möchte man
fragen.
Zwingend
und essentiell drängen sich weitere Fragen auf: Sind nicht gescheiterte
Filmwerke viel gescheiter, tiefgründiger und qualitativ hochwertiger als etwa
vom Massenpublikum gefeiertes grobmaschiges Mainstream-Kino samt ungenießbaren
Fastfood-Blockbustern? Und wann gilt ein Film überhaupt als gescheitert?
Liegt es
an der Unzulänglichkeit der Schauspieler, die wie Marionetten an einer Idee
hängen oder an der schlechten Schauspielerführung des Regisseurs, dass ein Film
mit gutem Plot scheitert? Liefert ein Film einen philosophischen Überbau, der
nicht verstanden wird und bei dem, wie vorprogrammiert, die Kinosessel leer
bleiben? Oder hat ein Filmwerk eine Meta-Ebene erklommen, über die einfach
keiner reden will? Film, so sei hier nur am Rande bemerkt, ist nicht nur
Unterhaltung, sondern ist auch Kunst, die Denkanstöße geben will, die nicht
immer auf Anhieb verständlich ist und über die es sich ja bekanntlich trefflich
streiten lässt.
In
manchen Fällen mag ein Streifen auch deshalb nicht gelingen, weil ganz einfach
das Drehbuch schlecht ist, das Ende des Films bewusst offen bleibt, das Thema
zu speziell und zu weit weg vom Publikum ist oder der Zuschauer nicht von
überbordender Bildästhetik erschlagen wird. Oder hat es schlichtweg nur an
Zeit, Geld oder der technischen Perfektion gemangelt, einen guten Film zu
produzieren?
Egal aus
welchen Gründen auch immer ein Film zum Scheitern verurteilt ist, an
künstlerischer Fantasie jedenfalls mangelt es den wenigsten Vertretern dieses
Métiers.
Dem
Thema des Scheitern hat sich ganz intensiv und aus gewissen eigenen Erfahrungen
heraus der Filmemacher H. W. Müller angenommen. Dieser hat das „Festival des
gescheiterten Film“ ins Leben gerufen, das als Geheimtipp unter Cineasten gilt
und bislang vom breiten Publikum unentdeckt geblieben ist. Ganz zu Unrecht.
Denn was
könnte es auch Schöneres geben, als „die TV versiffte Brille an der Garderobe
zu hinterlegen und sich einzulassen auf das Abenteuer anspruchsvoller
Kinomatik“ (Originalzitat Müller), dem Scheitern sozusagen das Positive
abzugewinnen und darüber hinaus von soviel hintergründigen und verborgenen
Unwegbarkeiten zu erfahren, mit denen sich heutige Filmemacher herumschlagen
müssen, bis endlich ein Film sein Publikum findet. Diese gute Idee ist Müller
bereits vor zwei Jahren gekommen. Mittlerweile tourt das Festival, das sich
noch in der „Sponsoren-freien-Zone“ bewegt, durch deutschsprachige Länder,
macht Station in Wien, München, Hamburg und Berlin.
Das
Festival bietet nicht nur Filmemachern ein Forum, die bei der Vermarktung ihrer
Filme oder der Umsetzung ihrer künstlerischen Intensionen gescheitert sind. Es
richtet sich auch an Filmschaffende, die das Scheitern per se zum Thema ihrer
Werke gemacht haben.
Festivalleiter
Müller - herrlich erfrischend sowohl als Moderator als auch als ambitionierter,
aber gescheiterter Filmemacher – will da nicht außen vor bleiben. Weshalb er
beim Reigen von insgesamt 56 (aus allen Sparten vom Drama über Komödie,
Fiktion, Experimentalfilm bis zur Dokumentation) gezeigten Filmen mit gleich
drei eigenen abseitig schrägen Werken im Münchner Maxim-Kino präsent war.
Wir
gönnen dem Festival seinen Erfolg beim Publikum - auch auf die Gefahr hin, dass
aus gescheiterten Filmen hinterher viele erfolgreiche Filme werden.
Angelika
Irgens-Defregger