Kino

Stolz auf das Misslingen

Das Festival des gescheiterten Films zeigt Filme, die es nicht geschafft haben. Damit trifft es genau den Zeitgeist. Denn schön ist, was schief geht.

Von Chris Köver

Erfolg macht sexy? Vielleicht, aber scheitern ist wesentlich sympathischer. Zumindest dann, wenn der Gescheiterte nicht in Selbstmitleid versinkt, sondern sich entspannt zu seinem Scheitern bekennt. Dieser offensive Umgang mit dem Misslingen hat in den letzten Jahren Hochkonjunktur: 1998 trat Christoph Schlingensief mit dem Slogan „Scheitern als Chance“ zu den Bundestagswahlen an, 2003 erschien sch – Das Buch des Scheiterns im taz-Verlag, und der Club der polnischen Versager im Berliner Prenzlauer Berg ist seit Jahren ein voller Erfolg. Das jüngste Phänomen in dieser Reihe ist das Festival des gescheiterten Films, das gerade durch deutsche Großstädte tourt.

Im großen Saal des Hamburger Studio-Kinos sind die meisten der roten Plüschsitze leer, nur etwa zehn Zuschauer haben ihren Weg in die Nachmittagsvorführung des Festivals gefunden, die meisten sitzen allein. Das ist schön, denn so gesehen ist die Veranstaltung schon mal gescheitert. Über die Leinwand flackert ein Programm mit Mut zum Eklektischen: Die Abschlussarbeiten mehrerer deutscher Filmhochschulen sind ebenso darunter wie kleine, unabhängige Produktionen, Spielfilme und Animationen, kurze wie lange, Horror- wie Dokumentarfilme.

Eingereicht werden durfte fast alles, egal welches Genre oder Format. Einziges Kriterium: Die Filme sollten – trotz des ernsthaften Anspruchs ihrer Macher – entweder selbst gescheitert sein oder das Scheitern zum Thema haben. Was dabei als „gescheitert“ gilt, wird der Einschätzung der Filmemacher überlassen. So lange das Projekt in ihren Augen ein Misserfolg war, hat es sich für die Teilnahme qualifiziert. „Scheitern ist immer relativ. Man scheitert am eigenen Anspruch,“ sagt Hartwig W. Müller dazu.

Müller, der sich selbst nur klein geschrieben hwmueller nennt und das Festival organisiert hat, steht nach der Vorstellung im Foyer und kratzt sich unter seiner blauen Seemannsmütze. Wenn er redet, wirkt er vollkommen überzeugt von dem, was er sagt. „Ich war wütend und frustriert. Ich habe so viele Filme gesehen, bei denen ich mich fragte: Wieso läuft das nicht auf Arte? Wieso ist es nie in die Kinos gekommen?“ Gerade ungewöhnliche und experimentelle Filme seien in der heutigen Medienlandschaft zum Scheitern verurteilt. „Alle schielen nur noch auf die Quote. Komplexität hat in der Medienlandschaft keinen Platz mehr.“ Wenn Müller von der Medienlandschaft spricht, dann meint er damit die deutsche. Und so zeigt das Festival auch fast ausschließlich deutsche oder deutschsprachige Produktionen.

Diesen Filmen zu Zuschauern zu verhelfen, nahm er dann selbst in die Hand. Vor drei Jahren hat er schon einmal versucht, ein Festival des gescheiterten Films zu veranstalten und ist damit gescheitert, weil sich kein Filmemacher angemeldet hat. „Aber mittlerweile ist Scheitern ‚in’“, sagt er. Als er im Herbst 2006 den Aufruf rausschickte, war die Rückmeldung riesig.

Das Festival hat mittlerweile zwei Stationen in Wien und München hinter sich, Berlin und Leipzig werden noch folgen. Die bisherige Bilanz: Die Presse ist von der Idee entzückt, der WDR berichtete ebenso wie der Standard und die ZEIT. Die Publikumszahlen sind dagegen eher ernüchternd. Scheitern mag in den Zeitgeist passen, aber die Aussicht auf lauter Filme, die es nie bis ins Fernsehen oder ins Kino geschafft haben, wirkt abschreckend auf das Publikum.

Auch das ist ein Erfolg im Sinne des Mottos, denn finanziert wird das Festival allein über den Eintritt. Müller wollte keine Sponsoren haben, weil er die Vorstellung „erotisch“ findet, dass vermeintlich gescheiterte Filme Geld einspielen können. Es schwingt hier immer etwas Groll und Erbitterung mit. Das Festival kann man auch als Abrechnung mit einer deutschen Filmindustrie und -förderung betrachten, die nicht daran glaubte, dass diese Projekte erfolgreich sein können, die Finanzierung nicht genehmigte oder wieder strich. Das hier scheint die Rache derjenigen zu sein, die als Loser abgestempelt wurden.

Einer von ihnen und einer der wenigen Besucher bei der Nachmittagsvorstellung ist der Hamburger Filmemacher Tobias Sandberger. Er ist gekommen, um sein Historiendrama Das Buch des Eremiten zu sehen, das im Festivalprogramm läuft. Später steht er etwas verloren im Foyer herum. Über seinen Film sagt er nüchtern: „Er ist in jeder Hinsicht gescheitert. Er weder kommerziell erfolgreich, noch beim Publikum, noch bei den Kritikern. Eigentlich hatte wirklich jeder etwas auszusetzen.“ Dann lächelt er ganz leicht und sagt: „Ich mag den Film trotzdem.“